///////////////////////////////// NACHBARN HINTER STACHELDRAHT /////




Michael Stoll  stolm4





































 Fotografien: Caroline Bollig ©



Michael Stolls Arbeiten lassen sich an der Schnittstelle von Kunst und Architektur verorten und sind stets mit einem kritischen Impetus versehen. Sein aktuelles Projekt befasst sich mit dem Thema der Flucht. Mit dem Versuch einer ganzheitlichen Perspektive nimmt Michael Stoll Fluchtgründe, -Routen und -Stationen in den Blick; problematisiert aber auch den Schlusspunkt der Flucht: Das Ankommen. Die Hoffnungen und Erwartungen der Geflüchteten stehen dabei häufig in scharfem Kontrast zur bürokratischen Realität. 

Im Jahr 2015 zählten die Forscher des Heidelberger Instituts für Konfliktforschung 424 politische Konflikte auf der Welt - die höchste Zahl, seit das Institut Anfang der 90er Jahre seine Arbeit aufnahm. Im Jahr 2016 überschritt die Zahl der Flüchtlinge weltweit erstmals die 60 Millionen Marke: Ausgelöst durch Krieg, Gewaltherrschaft und Armut seien Ende 2016 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht, konstatiert das Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Auch in Europa rückt die Thematik durch gestiegene Flüchtlingszahlen nicht nur ins Bewusstsein der Menschen sondern auch auf die politische Agenda, obwohl nur die absolute Spitze des Eisbergs - 722.370 Personen, laut Bundesinnenministerium - 2016 tatsächlich in Deutschland Asyl beantragte.


Die aktuelle Installation von Michael Stoll nähert sich vielschichtig dem Thema der Flucht. Die äussere Schale manifestiert sich als grossflächige, gebogene Plakatwand, die sich mit Fluchtgründen und Lagern entlang der Fluchtrouten befasst. Durch Aussparungen in der Wand erhascht der Betrachter erste Blicke auf den Kern der Installation, der aus vier weiteren Komponenten besteht. Die innenliegende Plakatwand stellt die Textarbeit “Anleitung zum Asylverfahren” dar, die das bürokratische Procedere des Asylantrags problematisiert. Auf der gegenüberliegenden Wand sind repetitive Strukturzeichnungen zu sehen, die sich erst auf den zweiten Blick als Darstellung der grössten Berliner Flüchtlingsunterkünfte zu erkennen geben und dem Betrachter die Dimensionen dieser Massenunterkünfte vorführen. Den Kern der Installation bilden eine Zeichnung des Berliner LAGESO, der ehemaligen Erstaufnahmestelle für Geflüchtete, sowie eine Textarbeit, die als Teppich am Boden der Installation eine weitere Dimension hinzufügt und den Betrachter gewissermassen in die Thematik “herein holt”. Als roter Faden zieht sich durch die verschiedenen Elemente der Installation die Diskrepanz zwischen Masse und Individuum. 


Welches Individuum steht hinter der Verwaltungsnummer? Wo bleibt Privatssphäre in Massenunterkünften? Wer interessiert sich für die Einzelschicksale, die ganz persönlichen Fluchtgeschichten? Wie präsentiert sich die vielzitierte Willkommenskultur? 

Text: Leonie Lydorf


Michael Stolls Beitrag zur Ausstellung "Nachbarn hinter Stacheldraht" besteht aus einer vierteiligen Rauminstallation. 

Basis der Installation ist eine Textarbeit auf grellem Neongelb, die in 100 Punkten durch das Berliner Asylverfahren leitet. Im Zentrum der Installation steht der Lageplan vom Landesamt für Gesundheit in Berlin, das Epizentrum der Flüchtlingsbewegung 2015 in Berlin. Auf einem blauen Teppich an Boden, der an einen Gebetsteppich erinnert, sind Textfragmente ausgelasert, die kritische Fragen zum Gezeigten anregen. An der Wand zeigen, auf pinkem Hintergrund, vier aus Folie ausgelaserte Bilder Berliner Notunterkünfte für Asylsuchende und geben Einblick in die Unterbringungsart der Geflüchteten.






 






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Zitadelle Spanndau